Montag, 16. September 2013

Die ersten zwei Wochen - eine Zusammenfassung

Der Abschied

Wie die Zeit vergeht... jetzt bin ich schon fast zwei Wochen hier. Ich habe so viel Neues erlebt und gesehen, dass mein Kopf gar nicht mehr mit sortieren und verarbeiten hinterher kommt. Aber der Reihe nach: 
Am 1. September, einem ruhigen Sonntagmorgen, ging es nach einer tränenreichen Verabschiedung von meiner Schwester Annika im Auto zum Frankfurter Flughafen. Nach tränenreichem Warten am Check-In-Schalter checkte ich tränenreich ein, bezahlte tränenreich mein Übergepäck und versuchte noch etwas zu essen und zu trinken. Einige Tränenausbrüche später kam dann die Verabschiedung von meinen Eltern und meinem Freund Philip, wohl der schwerste Teil meiner Reise. Schweren Herzens ging es um 11.20 Uhr mit einer kleinen Baltic Air-Maschine nach Riga, wo mich meine Mentorin Ramona und Susis Mentorin Kristela zwei Stunden später erwarteten. Als „Erkennungszeichen“ hatten sie eine Sonnenblume dabei, wodurch sie mich gleich mit einer lettischen Besonderheit vertraut machten. Die Letten lieben Blumen und verschenken sie zu jeder Gelegenheit. Ramona und Kristela fuhren mich dann zu meinem neuen „Zuhause“ in Jurmala.  



Jurmala


Schier endlos zieht sich der Strand an der Küste 20 km westlich von Riga hin. Da lag der Name Jurmala („Strand“) nahe, als man 1958 ein Dutzend Fischerdörfer auf der Landzunge zum Kurort vereinte.“
So wird im Lettland-Reiseführer mein neuer Wohnort beschrieben. Jurmala hat etwa 50.000 Einwohner, ist die fünftgrößte Stadt und der größte Urlaubsort Lettlands. Ich wohne im westlichsten Teilort „Kauguri“ in einer Hochhaus-Siedlung und bin ganz zufrieden damit. Flur, Bad, und Toilette der Erdgeschoss-Wohnung sind etwas gewöhnungsbedürftig, dafür sind die Küche und mein Zimmer echt gemütlich. Zwei Riesen-Supermärkte und die Bushaltestelle sind keine fünf Minuten entfernt und zum Strand braucht man auch nur knappe zehn Minuten.






Der Strand ist natürlich das absolute Highlight. Weißer, feiner, sauberer Sand, eingerahmt von Wald, die wunderschöne Ostsee... Es hat schon was, abends zu sagen: „Ich geh dann mal eben joggen... am Strand“.
Außer Kauguri besteht Jurmala hauptsächlich aus Siedlungen mit einer Mischung aus traditionellen Holzhütten, Einfamilienhäusern und modernen Villen, immer umgeben von viel Grün. Je näher man dem Hauptort „Majori“ kommt, desto touristischer wird es und desto größer, moderner und beeindruckender werden die Villen. 






 

Die erste Woche                                                                                    

Am späten Sonntagabend kam meine Mitbewohnerin und Mitfreiwillige Susi aus Österreich an. Viel Zeit zum Kennenlernen blieb da nicht, denn am Montagmorgen fing auch schon das Schuljahr an. Wir wurden herzlich von der Schulleiterin Inese begrüßt, die uns ein paar erste Informationen zur Schule gab. So wirklich unterhalten konnten wir uns aber nicht, da ständig Schüler mit oder ohne Eltern ins Rektorat kamen, um Inese zu begrüßen und ihr Blumen zu schenken (Schulanfang ist schließlich ein besonderer Anlass). Am Ende des Tages war das kleine Zimmer überfüllt mit Blumensträußen; ein sehr schönes Bild und eine nette Tradition, wie ich finde. Anschließend fand auf dem Schulhof eine Feier mit allen Schülern und Eltern statt, wofür sich alle sichtlich schick gemacht hatten. Die Erstklässler durften begleitet von den ältesten Schülern „einmarschieren“, es wurden verschiedene Lieder gesungen, manche Lehrer hielten eine kurze Rede und auch wir wurden vorgestellt und bekamen je eine Tafel Laima-Schokolade (was Milka für die Österreicher ist, ist Laima für die Letten).
Der Rest der ersten Woche diente erst mal der Orientierung in der neuen Umgebung und in der Schule. Wir schauten bei ein Paar Schulstunden zu und stellten uns den Lehrern mit einer Diashow vor. Am Freitag durften wir die erste Klasse auf einen Ausflug begleiten. Wir schauten uns das Kinder- und Jugendzentrum in Asari, einem anderen Ortsteil von Jurmala, an und anschließend wurde gegrillt. In dem Zentrum werden verschiedene Workshops für die Kinder angeboten, es gibt einige Tiere (Wellensittiche, Hasen, Mäuse...) und - interessanter für uns – dort finden sogenannte „internationale Jugendbegegnungen“ statt, an denen wir später mitarbeiten können.
Das erste Wochenende verbrachte ich damit, es mir in der Wohnung etwas gemütlicher zu machen und die nähere Umgebung zu erkunden.

Vaivaru Pamatskola                                                                             

Mein neuer Arbeitsplatz, die „Vaivaru Pamatskola“ (dt. Vaivaru Grundschule), befindet sich in dem Teilort „Vaivari“ östlich von Kauguri. Mit dem Fahrrad fährt man etwa 15 Minuten durch den Wald zu Schule, die in einem traditionellen Holzhaus nur 200 m vom Meer entfernt untergebracht ist. Mein erster Eindruck: einfach alles ist anders als am Mörike-Gymnasium Göppingen. Die 140 Schüler sind verteilt auf die Klassenstufen 1 bis 9 und werden von etwa 15 Lehrerinnen und einem Lehrer unterrichtet. Wegen der kleinen Anzahl an Schülern und Lehrern kennt jeder jeden und die Atmosphäre ist sehr familiär.
Das besondere an Vaivaru Pamatskola ist, dass es eine inklusive Schule ist, das heißt Kinder mit und ohne Behinderungen oder Lernschwierigkeiten lernen zusammen (Inese sagt einfach „children with special needs“, dt. „Kinder mit besonderen Bedürfnissen“). Diese besonderen Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich und reichen von Lernschwächen über verschiedene geistige Behinderungen hin zu körperlichen Behinderungen wie Blindheit oder Lähmungen. Um alle Kinder gemeinsam bestmöglich unterrichten zu können, sind manchmal mehrere Lehrer und/oder Betreuer in einer Klasse. Für Kinder mit stärkeren Behinderungen gibt es außerdem zwei eigene Klassen.
Was sofort auffällt ist das starke Gemeinschafts-Gefühl in der Schule. Außerdem versuchen die Lehrer durch viele kleine Dinge, den Kindern den Schulalltag und das Lernen so angenehm wie möglich zu gestalten. Um nur ein paar zu nennen: Jede Klasse bekommt einen Namen, den sie ihr ganzes Schulleben behält ( z.B. Kiesel, Sträucher, Sternchen, Bäche...), die Klassenzimmer sind immer sehr liebevoll dekoriert und es gibt ein „Wort der Woche“, das die Lehrer in Aufsätzen oder Bildern aufgreifen können. Das Wort für die letzte Woche lautete „Freude“.




Der Barfuß-Pfad und die Bilder auf dem Schulhof sind die Werke früherer Freiwilliger. Ich finde die Ideen toll, weil sie in der Schule bleiben, auch wenn die Freiwilligen schon wieder zu Hause sind. Mal schauen ob wir etwas ähnliches machen können...

Die zweite Woche                                                                                                                 

Meine Aufgabe für die zweite Woche war es, mir den Unterricht in verschiedenen Fächer und Klassen anzuschauen und zu entscheiden, welche Stunden ich regelmäßig besuchen möchte. Das werden vor allem die Fächer Kunst, „Ritmika“ (Volkstanz- das lustigste Unterrichtsfach das ich je gesehen habe) und „Majturiba un Tehnologijas“ (Hauswirtschaft und Technik) sein. Dort kann ich die Kinder mit Behinderungen unterstützen und auch selber Ideen für den Unterricht geben. Außerdem werde ich oft im Englischunterricht sein, da das eine super Möglichkeit ist, Lettisch zu lernen. Die Kinder übersetzen vom Lettischen ins Englische, und ich einfach anders herum.
Am Dienstag durften wir die Klassen fünf bis neun auf einen Ausflug nach „Dundaga“ begleiten. Die Kleinstadt liegt im Landesinneren in einer ländlichen Gegend. Zuerst besuchten wir eine kleine Fabrik, die Wolle wie vor hundert Jahren herstellt. Nach einer Vesper-Pause an einem idyllischen See ging es weiter zur „Dundaga Pils“, zur Burg. Wir bekamen eine Führung von einer Dame um die 80, die wirklich sehr authentisch und lebendig erzählen konnte. Leider haben wir kein Wort verstanden und die Kinder hatten wenig Interesse an der Geschichte des Gemäuers. Mehr Begeisterung zeigten sie aber, als wir ein Theaterstück über die „Grüne Dame“ auf die Bühne bringen sollten. Die Grüne Dame wurde angeblich im Mittelalter in eine Wand der Burg eingemauert und soll heute als Geist ihr Unwesen dort treiben. Wir haben allerdings nichts ungewöhnliches bemerkt...
 
Am Freitag hatten wir unsere erste Lettisch-Stunde. Obwohl wir mit den einfachsten Dingen wie „Ich, Du, Er,...“, Farben und Adjektiven angefangen haben, hat mir danach der Kopf geschwirrt. Lettisch ist eine schwere Sprache, weil so gut wie alles an alles angeglichen wird und es sechs Fälle gibt. Aber ich bin trotzdem motiviert, mich so bald wie möglich auf Lettisch unterhalten zu können. 

 

Montag, 9. September 2013

 

Was bisher geschah...

Schon lange wusste ich: nach dem Abitur will ich unbedingt weg. Aber wohin? Das wusste ich bis Anfang des Jahres noch nicht. Dann entdeckte ich den Europäischen Freiwilligendienst (Danke nochmal an Linda dafür) und mir war klar: das ist genau das richtige für mich! In einem fremden Land wohnen, aber nicht allein sondern mit anderen Jugendlichen zusammen, in einem sozialen Projekt arbeiten, reisen...
Dann ging es los mit Bewerbungen schreiben: nach Holland, Tschechien, Polen, Teneriffa, Litauen, Dänemark, Italien... schließlich kam ein Anruf aus Lettland. Ich kann für zehn Monate in einer Schule für Kinder mit und ohne Behinderung arbeiten! Da die EU entscheiden muss, ob sie das Projekt finanzieren wird, folgte erst einmal eine lange Zeit des Wartens. Mitte Juli stand dann endlich fest, dass das Projekt stattfinden kann und so langsam wurde es ernst für mich. Zum Glück habe ich eine tolle Familie und einen tollen Freund, die mich bei allem unterstützen. So konnte ich mich auf Lettland vorbereiten und gleichzeitig meinen „letzten“ Sommer in Deutschland genießen.

 Mehr Infos zum EFD:
http://www.jugendwerk24.de/interkulturell/Freiwilligendienste/EFD_Entsendeorganisation/EVS_2012_Index.html